Patriarch Ignatius

Brief vom 4.03.2024 von Patriarch Ignatius Youssef III Younan an die AKM

E-mail vom 24.03.2023 von Patriarch Ignatius Youssef III Younan an die AKM

Sehr geehrter und lieber Archimandrit Dr. Andreas Thiermeyer,

 

Ich kann der Aktionsgemeinschaft Kyrillos und Methodios e.V. wirklich nicht genug danken für die spirituelle Unterstützung, die moralische Solidarität sowie für die finanzielle Hilfe, die sie uns weiterhin in unserer Not leisten. Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Spende in Höhe von 20.000 Euro, die bereits auf unserem Vatikankonto eingezahlt wurde. Dasselbe gilt für die Summe der Messstipendien. Vergelt's Gott!

Ich wollte Sie nicht mit unserer tragischen Situation belästigen, weil ich weiß, dass Sie viele Probleme haben. Aber ich habe keine andere Wahl, als Ihnen über das Ausmaß unseres Leidens in Syrien oder im Libanon zu berichten.

In SYRIEN:

Am 6. Februar diese Jahr, wurde Aleppo und ganz Nordostsyrien von einem unsäglichen Erdbeben heimgesucht. Ich war an diesem Tag bei meinem Besuch im Irak und bei meiner Rückkehr in den Libanon bin ich gleich auf dem Landweg nach Aleppo gefahren.

Was ich sah, war unbeschreiblich: Zerstörung vieler Gebäude, Leid und Angst in den Gesichtern aller Menschen, besonders bei meinen Besuchen in Kirchen, Schulen und Pastoralzentren, wo Hunderte von Familien Zuflucht gesucht hatten.

Ich ging an einen Ort in Aleppo, wo das ganze Gebäude zerstört war. Mir wurde gesagt, der Zivilschutz habe 52 Leichen unter den Trümmern hervorgeholt.

Ich habe unserer Diözese Aleppo bescheidene Hilfe angeboten, die weiterhin verängstigte Menschen ohne Diskriminierung des Glaubens und der Religion aufnimmt.

Aber der Bedarf ist enorm. Schon vor dem Erdbeben erlebte Syrien Chaos, Gewalt und Elend.

 

Und was ist mit dem Libanon? Es ist ein Land, das am Rande des Abgrunds steht und sein Überleben bedroht. Politische Stagnation zerstört weiterhin jeden Reformversuch. Die Inflationsrate übersteigt 8000%! Vor drei Jahren erhielt ein Lehrer ein Monatsgehalt von 800 Euro. Heute bekommt er nur 10 Euro im Monat! Wie eine Familie mit dieser kleinen Summe wirklich leben kann!

Es gibt keinen Mittelstand mehr! Es ist daher zunehmend notwendig, Lebensmittelkörbe bereitzustellen. Wir machen uns große Sorgen um unsere Jugend. Die Ämter, die Pässe ausstellen, sind voll mit Ausreisebewerbern.

 

In Christo Jesu, unsere Hoffnung

 

Ignatius Youssef III Younan

Patriarch der Syrisch-Katholischen Kirche von Antiochien

 

N.B. Bitte sehen Sie sich einige Bilder unserer karitativen und pastoralen Arbeit in Syrien und im Libanon im beigefügten Anhang an

(siehe oben und in der Bildergalerie)

Libanon Humanitäre Soforthilfe 2023


 

1-  Allgemeine Lage 

In diesem kleinen Land, das dazu bestimmt ist, eine Oase des Friedens zu sein und verschiedene Glaubensgemeinschaften zusammenführt, wächst die Zahl der Menschen, denen grundlegende humanitäre Bedürfnisse vorenthalten werden.

 

Diese Situation wurde bekanntlich durch die entsetzliche und verbrecherische Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020 besonders verschärft. Diese Explosion forderte mehr als 216 Tote und rund 6.000 Verletzte, zusätzlich zu der Zerstörung eines Großteils von a überwiegend christlicher Teil der Hauptstadt

(Viertel Al-Achrafieh, Ost-Beirut).

 

Unser Patriarchat betreut 9 Pfarreien, 1 Priester Seminar, 3 Schulen, 2 Klöster mit einer hoch angesehenen Sammlung alter Manuskripte ist bestrebt, monatlich mehr als 900 Christen dringend humanitäre Hilfe zu leisten Familien ohne Diskriminierung.

 

Diese humanitäre Hilfe besteht aus der Bereitstellung von: Nahrung, Medizin, Unterkunft und Bildung der Kindern (diejenigen, die andere Schulen als die von unserem Patriarchat geführten besuchen). Unsere Kirche arbeitet auch daran, die Bedürfnisse von Familien zu befriedigen, deren Lebensstandard sich stark verschlechtert hat, nicht nur Familien, die als arm gelten, sondern auch Familien der Mittelschicht, diese social Klasse die vom Verschwinden bedroht sind.

 

II. BESCHREIBUNG DER PROJEKTE

 

Trotz der beispiellosen Wirtschaftskrise, die den Libanon seit Oktober 2019 mit der dramatischen Abwertung der Landeswährung (dem libanesischen Pfund) heimgesucht hat; Trotz der Unmöglichkeit, Gelder von den privaten Bankkonten abzuheben, setzt sich unser Patriarchat dafür ein, seine humanitären, karitativen, pädagogischen und pastoralen Einrichtungen nicht nur für Libanesen in Not, sondern auch für die Vertriebenen aus Syrien und dem Irak aufrechtzuerhalten, deren Zahl jetzt 1800 Familien übersteigt eigentlich Flüchtlinge im Libanon. All diese Leute klopfen an unsere Tür!

 

Um dieses dringende humanitäre Ziel zu erreichen, hat das Patriarchat keine andere Wahl, als christliche Organisationen um Hilfe zu bitten und sie anzuflehen, die laufenden Projekte mit ihren großzügigen Beiträgen, die als “fresh money = frisches Geld“ bezeichnet werden, zu unterstützen. Es ist der einzige zulässige Betrag, der von den Banken abgezogen wird. Nur auf der Grundlage dieser Hilfe wird das Patriarchat in der Lage sein, die Kosten für die folgenden 5 Projekte zu bezahlen: Lebensmittelkörbe - Medikamente - Bildung für Kinder - Unterkünfte - Minister und bedürftige Arbeiter. Wir sind auch zuversichtlich, als separates Projekt einen Transporter für den Transport der Seminaristen zur Universität anzuschaffen.

 

1- Lebensmittelkörbe: Das Patriarchat bemüht sich darum, Gelder für humanitäre Hilfe für 900 bedürftige Familien zu sichern. Jede Familie erhält weiterhin monatlich einen Lebensmittelkorb im Wert von 20 Euro. Die monatlichen Kosten dieses Projekts werden auf über 18.000 Euro geschätzt.

 

2- Medizinische Hilfe: Es ist bereits bekannt, dass das Auffinden von Medikamenten aufgrund eines Mangels zu einer exorbitanten Aufgabe geworden ist! Wir unterstützen hunderte kranke Menschen mit einem Zuschuss von 6.000 Euro pro Monat.

 

3- Erziehung der Kinder: Private christliche Schulen im Libanon werden nicht vom Staat unterstützt. Um unseren Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen, müssen wir unsere 2 Schulen finanziell unterstützen; das „Lycée du Musée“ in Beirut und die „L’Ecole de Charfet“, oben in den Bergen. Beide haben insgesamt 86 Lehrkräfte und Angestellte, dessen mittleres Gehalt beträgt nur 45 Euro im Monat; dies liegt am Fall des libanesischen Pfunds; dafür müssen wir ihnen ein monatliches Bonus schenken. Mit der Befreiung von über 95 Studierenden von allen Studiengebühren, werden die Ausbildungskosten auf über 10.000 Euro pro Monat geschätzt.

 

4- Unterkunft-Wohnung: Aufgrund des sehr geringen Einkommens der meisten Menschen, ist die Unterkunft zu einem großen Problem geworden, sei es für den Mieter oder den Eigentümer des Haus. Wir haben unseren "Wohltätigkeitsverein" empfohlen, um den Leuten zu helfen, ihre Miete zu bezahlen. Dafür müssen sie monatlich 6000 Euro aufbringen

 

5- Arbeiter in Not: Die Mitarbeiter unserer Institutionen, Pfarreien, Klöster, Patriarchat ... (insgesamt 34) sind sehr arm geworden, weil ihre derzeitigen Gehälter nicht mehr ausreichen, um ihnen ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Dafür haben wir sie in ihren Positionen gehalten und wir geben ihnen weiterhin monatliche „Boni“. Dieser Prozess kostete das Patriarchat zusätzlich zu den vereinbarten Gehältern rund 8.000 Euro pro Monat.

 

6- Ein Transporter für das Seminar: Unser Priester Seminar von Charfet, Daroun-Harissa, muss derzeit den (Van)Transporter ersetzen, der bereits für den Transport von Seminaristen zur und von der Universität “Saint-Esprit” Kaslik, Jounieh, verwendet wird. Ein neuer Van für 18 Personen würde im Libanon rund 24.000 Euro kosten.

 

Finanzierung der 6 Projekte:

Mit Ausnahme des Projekts zum Kauf eines Lieferwagens für das Major Seminary of Charfet in einer einzigen Zahlung sollten alle verbleibenden 5 oben genannten Projekte monatlich finanziert werden.

 

Um diese Projekte zu finanzieren, strebt das Patriarchat aus den ordentlichen Einnahmen des Patriarchats und private Spenden, das Drittel der Kosten der 5 Projekte aufzubringen, das sind etwa 16.000 Euro pro Monat.

 

Für die restlichen zwei Drittel der Finanzierung sind wir auf Ihre Großzügigkeit und christliche Solidarität angewiesen. Wir bitten Sie, uns so viel wie möglich zu helfen, indem Sie entweder eines der oben genannten 5 Projekte für ein ganzes Jahr oder alle 5 Projekte für einen Monat finanzieren.

 

Jede Spende wird jedoch sehr geschätzt.

 

Wir verpflichten uns, Ihnen innerhalb von drei Monaten nach Erhalt einen detaillierten Bericht über die Verwendung Ihres Stipendiums zu übermitteln.

 

Vielen Dank im Voraus.

Möge der Herr Sie immer segnen!

 

Msgr. Habib MRAD

 


E-mail vom 14.12.2022 von Patriarch Ignatius Youssef III Younan an die AKM

Lieber Archimandrit Dr. Andreas A.


Grüß Gott aus dem zerschlagenen Syrien und Libanon!


Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem "Rundbrief", den ich mit großer Freude durchgelesen habe. Es ist wahr, der Hl. St. Joseph muss in diesen Zeiten großer Prüfungen in der katholischen Kirche, unser "Ideal" sein! 


Ich nehme an, Sie haben von meinem letzten Besuch in unserer syrisch-katholischen Diözese Hassakeh und Nisibin im Nordosten Syriens, 2 bis 6 Dezember, schon gehört.

 Ich habe festgestellt, dass dieses sehr verwüstete Gebiet aufgrund des dortigen Chaos jetzt unsere Hauptsorge ist. Christen, insbesondere die Jugend ist sehr ratlos was ihre Zukunft betrifft! Daher müssen wir erkennen, dass das Überleben der Christen in dieser verwüsteten Region, mehr als in anderen Gebieten des Nahostens, auf dem Spiel steht! Es ist gut dokumentiert, dass bereits mehr als zwei Drittel aller christlichen Gemeinden aus der Region geflohen sind.

Die einzige Möglichkeit, außerhalb dieser Provinz zu reisen, führt über den Flughafen Qamishly, da der Landweg sehr gefährlich ist.

Ich traf diejenigen, die geblieben sind. Hauptsächlich Eltern und ältere Menschen und ich sah die Angst in ihren Gesichtern, da die Jugendlichen auf jede erdenkliche Weise versuchen das Land zu verlassen.

In Hassakeh, die Hauptstadt der Provinz, leiten wir immer noch eine Hochschule mit mehr als 900 Schülern und die syrischen Othodoxen ebenfalls. In dieser Schule, muss die Verwaltung, wegen der geringen Ressourcen, mehr als 50 Schüler in dieselbe Klasse stecken. In beiden Schulen ist die Zahl der jungen Christen jedoch minimal geworden etwa 10%! Es gibt viele Herausforderungen und Schwierigkeiten unsere Schule am Laufen zu halten: Die Unsicherheit, die hohen Lebenshaltungskosten, die Abwertung des syrischen Pfunds (der EURO ist mehr als 6.300 L.S. wert, und in Libanon mehr als 45,000!), der große Mangel an Arbeit und vor allem die Angst der Jüngsten, verschärfen die Situation nur noch. Welche Antworten können wir auf die schwierigsten grundlegenden Fragen unserer Gemeinschaften geben? Die Verwirrung umgibt uns überall!

 

Wie ich bereits früher gesagt habe, müssen wir unsere Schulen, entweder im Libanon oder in Syrien, offen halten. Die Bildung ist das beste Mittel, um den Fundamentalismus und den radikalen Islam zu bekämpfen.

Bitte sehen Sie sich im Anhang oben einige Fotos von diesem letzten Besuch an: die Kinder, die Schule, die behinderten Menschen... sowie von unserer Schule von Charfet, Libanon.

 

Lieber Archimandrit Andreas, ich brauche dringend Ihre brüderliche Unterstützung. Sowie Messanliegen für unseren Klerus.

 

Mit meinen Wünschen für ein frohes Weihnachtsfest bei guter Gesundheit und voller Gelassenheit bleibe ich verbunden in Christo Jesu, unsere Hoffnung!

 

Ignatius Youssef III Younan

Patriarch von Antiochien 

  Die Christen des Nahen Ostens fühlen sich vom Westen verlassen und tief verraten
Interview der JUNGEN FREIHEIT mit dem syr.-kath. Patriarch Ignatius Joseph III. Younan, 18. April 2020

Eminenz, die Zahl der Christen in Nahost nimmt zusehends ab. Welche Gründe gibt es dafür?
Ignatius Joseph III. Younan: Es gibt verschiedene Gründe. Alles begann mit der islamischen Invasion im siebten
Jahrhundert, als die Eroberer den Plan hatten, eine absolute Version des Islams durchzusetzen. Sie verstand den Islam
als die Erfüllung der christlichen sowie der jüdischen Offenbarung. Das führte zur direkten oder indirekten
Verfolgung der Christen und zu konsequenten Massenkonvertierungen. Leider existieren bis heute solche
Verständnisse des Islams und sind demnach erster Grund für die Verringerung der Zahl der Christen in den
vergangenen zwanzig Jahren.
Denken Sie dabei an den islamistischen Terror?
Younan: Ich spreche vor allem von dem sogenannten islamischen Radikalismus, der politisch in der Ideologie des
Wahabismus und der Muslimbrüder Ausdruck findet. Es handelt sich um theokratische Weltanschauungen, welche die
Grundlage für einige Terrorgruppen wie den IS oder Al-Qaida bereitgestellt haben, die uns als „Ungläubige“
vernichten wollen. … Wir fürchten, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Mehrheit der Bevölkerung die Trennung
zwischen Staat und Glauben nicht akzeptiert und bereit ist, die Nicht-Muslime zu diskriminieren.
Fühlen sich die Christen vom Westen unterstützt?
Younan: Die Christen des Nahen Ostens fühlen sich vom Westen verlassen und tief verraten. Obwohl wir das Erbe
von jahrtausendealten Kulturen weitertragen und die ersten Missionare dieses Glaubens waren, merken wir, dass unser
Überleben für den Westen nicht wichtig ist. Viele Christen fragen sich, wieso der Westen so vorsichtig, jede Art
Minderheit schützt und gleichzeitig uns, die verwundbarste Minderheit des Nahen Ostens, die in kurzer Zeit sogar
verschwinden könnte, vergisst: Der Westen ist gegenüber dem Terror sehr zweideutig.
Was sind die Gründe für diese Ignoranz?
Younan: Wir sind eine Minderheit, oft wirtschaftlich uninteressant, aber wir sind für die internationale Sicherheit
keine Bedrohung. Der Westen unterstützt lieber Staaten, die wirtschaftlich interessant sind, auch wenn diese die oben
genannten Ideologien verfolgen.
Wie bewerten Sie die Positionierung des Westens gegenüber dem Terror?
Younan: Das ist wahrscheinlich der sogen. „politischen Korrektheit“ zuzuschreiben... Auf der einen Seite weigern
oder scheuen sich die Politiker davor, zu sagen, dass 90 Prozent des globalen Terrors dem radikalen Islam zuzuordnen
ist. Auf der anderen Seite unterstreichen sie aber auch, dass die westliche Bevölkerung immer älter wird. Es scheint
also, dass die Entvölkerung des Nahen Ostens im Endeffekt für eure Gesellschaften positiv, für uns aber katastrophal ist.
Was meinen Sie damit?
Younan: Es wird mehr und mehr deutlich, dass die Massenauswanderung der Jugend zu einer Verarmung der
Ursprungsländer führt. … Die Konsequenzen davon werden sowohl die Ursprungsländer als auch die
Bestimmungsländer zu spüren bekommen. So kann, so darf es nicht weitergehen.
Deutschland und andere Staaten der Europäischen Union propagieren das Instrument der „Hilfe vor Ort“. 
Was könnte der Westen weiter tun, um die Jugend von Migrationsgedanken abzuhalten?
Younan: Die Hilfe vor Ort braucht vor allem ein gemeinsames Vorgehen der Europäischen Union. Es muss
sichergestellt werden, dass die Unterstützung auch diejenigen vor Ort erreicht, die wirklich in Not sind. … Mein Rat
an die Europäische Union ist folgender: Identifizieren Sie klar und deutlich die Ursachen der Migration.
Unterscheiden Sie strikt zwischen den Kriegsflüchtlingen und den Wirtschaftsmigranten…. Unterstützen Sie die
Länder des Nahen Osten, die es schaffen, eine zivile Regierung zu etablieren, die niemanden wegen des Glaubens
diskriminiert. Wirtschaftssanktionen haben furchtbare Konsequenzen
Der Westen will, daß sich sein Thema „Menschenrechte und Demokratie“ auch in Nahost etabliert. Was denken Sie
daüber?
Younan: Es ist klar und deutlich, dass die politischen Systeme in den Ländern mit einer muslimischen Mehrheit sehr
wenig mit den sogenannten „westlichen Demokratien“ gemein haben. Bis heute gab es kaum eine Wahl in einem
muslimischen Land, in der nicht die Religion eine wichtige Rolle spielte. Auf der anderen Seite aber werden Staaten
kritisiert, ja heftigst angegriffen, die das Zusammenleben von verschiedenen Religionen ermöglichen.
Sprechen Sie von Syrien?
Younan: Auch. Und ich spreche von den Wirtschaftssanktionen, die heute furchtbare Konsequenzen für die syrische
Bevölkerung haben. Die Sanktionen richten sich gegen einen Staat, der die Minderheiten und die Glaubensfreiheit
verteidigt. Die syrische Jugend möchte studieren und arbeiten. Aufgrund dieser Sanktionen ist dies nicht möglich…
Sie haben sich sehr kritisch gegenüber der Masseneinwanderung nach Europa geäußert. Wie bewerten Sie die
Haltung der Katholischen Kirche?
Younan: Wir Christen folgen der Lehre unseres Herrn Jesus, der uns gelehrt hat, den Fremden willkommen zu heißen.
Die Christen des Nahen Ostens haben in diesen schwierigen Jahren viel Unterstützung von unseren europäischen
Brüdern bekommen, dafür sind wir sehr dankbar. Um diese schwierigen Zeiten zu bewältigen, bitten wir sie darum,
unsere Jugend weiter zu unterstützen. … Wir wollen sie immer an die Worte des Herren erinnern: „Hab keine Angst,
du kleine Herde“.


„Entwurzelt, vergessen und betrogen“

Syrisch-katholischer Patriarch geht mit dem Westen hart ins Gericht und verteidigt dieRechte der christlichen Minderheiten im Mittleren Osten
      Interview mit 
Seiner Seligkeit Patriarch Ignatius Joseph III. Younan                                     
(30.11.2017)Von Benedikt Winkler

Was macht die Einzigartigkeit der Syrisch-katholischen Kirche aus?
Die syrisch-katholische Kirche ist die Erbin der syrischen Kirche von Antiochien. In Antiochien gab es zwei Gemeinschaften, eine sprach Syrisch, die Sprache des Volkes, und eine sprachGriechisch, das war die Sprache der Intellektuellen in den hellenistischen Küstenkolonien. Wirals Syrer waren bis zum Konzil von Chalcedon im Jahr 451 vereint mit der einen heiligen Kirche, doch dann kam es zu einer Kirchenspaltung aufgrund der christologischen Zwei-Naturen-Lehre.
Wir gehörten zu den monophysistischen oder nicht-chalcedonischen, heute würden wir sagen,wir gehörten zu den vorchalcedonischen Kirchen. Das sind die syrischen, die koptischen,armenischen und äthiopischen Kirchen. Wir als syrische Kirche haben seit 1600 dieWiedervereinigung mit dem Heiligen Stuhl von Rom gesucht. Einige Patriarchen nahmen anÖkumenischen Konzilien teil - aber erfolglos. Das änderte sich Ende des 18. Jahrhunderts, alseiner unserer Patriarchen gewählt wurde und dieser die Union mit Rom verkündete. Er warnicht besonders akzeptiert bei vielen Bischöfen, deswegen musste er in die Türkei, den Irak undSyrien fliehen. Er fand Zuflucht in den libanesischen Bergen und gründete dort das KlosterSharfeh.
Wie gestalten sich die Beziehungen heute zur Römisch-katholischen Kirche und zur Syrisch-orthodoxen Kirche?
Wir als Syrisch-katholische Kirche versuchen den Glauben und das syrische Erbe zu bewahren,gleichzeitig sind wir mit Rom uniert. Die Syrisch-katholische Kirche hat heute sehr guteBeziehungen mit der syrisch-orthodoxen Kirche. Wir halten Kontakt zueinander. Der Sitz dessyrisch-orthodoxen Patriarchen ist noch in Damaskus, während unserer im Libanon ist. Vorherbefanden sich beide Sitze im Südosten der Türkei.
Können Sie die Situation im Mittleren Osten beschreiben?
Wir wurden in den letzten Jahren sehr stark angegriffen, speziell in der Ebene von Niniveh undin der Provinz von Hassakeh. Wir teilen auch das Leid mit anderen Christen in syrischen Städtenwie Aleppo, Homs, Damaskus.
Gibt es noch eine Bedrohung durch den Islamischen Staat?
Sicher. Wenn er kann, dann greift er noch an, in Bagdad oder in Basra oder in Kurdistan. Aberdiese Angriffe sind weniger geworden, weil die Armee der Zentralregierung ungefähr neunzigProzent der Gebiete zurückgewonnen hat, die bislang durch „Daesh“ (Anm. der Red.: ArabischeKurzformel für den IS) kontrolliert worden waren. In Syrien das gleiche. Aber das Chaos gehtweiter. Im Nordosten Syriens haben wir die Konflikte zwischen der syrischen Regierungsarmeeund den Kurden. Auch im nördlichen Irak wurden die Christen eingekesselt zwischen derirakischen Armee und den Kurden. Deswegen ist die Situation sehr fließend. Der Prozess für dieErrichtung von Sicherheit und Ordnung geht weiter. Für uns sind diese anhaltenden Konfliktewirklich bedrohlich in unserer Existenz.
Wie würden sie die aktuelle politische Situation in Syrien und Irak bewerten?
Die politische und sicherheitspolitische Lage ist sehr viel besser geworden. Sowohl im Irak, wodie Terrormiliz Islamischer Staat nahezu besiegt ist, und auch in Syrien. Im Irak gab es vielUnterstützung durch eine Allianz unter anderen der Vereinigten Staaten. Syrien wurdeunterstützt durch Russland und den Iran wie auch durch die Hisbollah. Was dieZukunftsaussichten betrifft, wissen wir nicht, wie, aber wir hoffen, dass die Russen ihremVersprechen treu bleiben, den Frieden in Syrien wiederherzustellen. Das gleiche gilt im Irak fürdie Amerikaner.
Wie geht es den Christen heute im Irak?
Im Irak werden die Christen stark unterdrückt. Wir können eigentlich nicht mehr vonchristlicher Existenz im Irak sprechen, das gilt insbesondere für den Nordirak, Kurdistan undBagdad. Zwei Drittel der irakischen Christen sind geflohen. Die Syrisch-katholische Kirche hatnur noch vier Kirchen in Bagdad und die Anzahl der Gottesdienstbesucher ist starkzurückgegangen. In der einst größten Stadt im Süden Iraks, in Basra, sind nur noch sehr kleineGemeinschaften übrig. Wir haben eine syrisch-katholische Gemeinde in Basra, die syrischorthodoxeKirche hat eine Gemeinde, die Chaldäer haben zwei Gemeinden mit einem Bischof.Aber wir würden uns betrügen, wenn wir sagen, wir hätten dort noch existierendeGemeinschaften.
Und in Syrien?
In Syrien gibt es eine ähnlich große Auswanderung unter allen Christen, besonders in dernordöstlichen Provinz Hassakeh, in Zentralsyrien, die Dörfer um Homs und auch in Aleppo undDamaskus. Wir können sagen, dass die anhaltenden Konflikte unserer Kirche sehr zusetzen, ganzbesonders betrifft das unsere junge Generation.
Teilen Sie die westliche Perspektive auf den Bürgerkrieg in Syrien?
Seit Beginn an war ich gegen diese Art von westlicher Perspektive, die vortäuscht, die westlicheDemokratie in eine Region zu exportieren, welche Demokratie nicht anwenden kann, weil eskeine Trennung zwischen Religion und Staat gibt. Es ist eine Fantasie diese Art von Demokratie.
Im Frühjahr 2011 wurde ich - zwei Monate nach Beginn der Krise in Syrien - von katholischenJournalisten im Haus der Bischofskonferenz in Paris gefragt: „Was denken Sie, Patriarch, derArabische Frühling wird über Syrien kommen, bald wird die syrische Regierung ausgeschaltetsein.“ Ich sagte ihnen: „Meine Freunde, seid nicht naiv mit dem, was ihr hört oder worüber ihrurteilt. Die Situation in Syrien lässt sich nicht vergleichen mit der in Tunesien oder Ägypten. InSyrien gibt es Minderheiten, verschiedene Konfessionen innerhalb der muslimischenGemeinschaft und unter den Christen. Wir haben die Sunniten, die Schiiten, die Drusen, die
Alawiten, die Kurden. Wenn die Gewalt weitergeht, dann wird es bald zu einem sektiererischenBürgerkrieg kommen, der das Land ins Chaos stürzt.“ Das war damals 2011, vor mehr alssechseinhalb Jahren. Die Journalisten waren nicht überzeugt von meinem Statement.Religionskriege sind die schlimmsten Kriege, das weiß Europa aufgrund der eigenenVergangenheit.
Wie stehen Sie persönlich zu Baschar al-Assad?
Wie können wir vergleichen? Ein Präsident wie Baschar al-Assad, gut ausgebildet, seine Frau,eine einzige Frau, auch gut ausgebildet. Sie ist Sunnit, nicht Alawit, mit drei Kindern. Wie könnenwir diese Familie vergleichen mit jenen Familien, die sich mit den westlichen Ländern verbündethaben? Wenn der Scheich, Emir oder König weder den Namen seiner letzten Frau aussprechen kann, noch weiß wie viele Kinder er hat - wie können wir vergleichen?
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, entspricht Assad eher dem westlichen Familienbildals andere Amtsinhaber im Mittleren Osten. Doch finden Sie nicht, dass die Giftgas- undFoltervorwürfen der UN gegen den syrischen Präsidenten ziemlich schwer wiegen?
Der Westen folgt dem Embargo und beschuldigt das Regime eine Diktatur zu sein: Assad sei einMonster, der seine eigenen Leute tötet. Jedes Mal hören wir, lesen wir, 100.000, 200.000,300.000 Opfer, die durch das Regime getötet worden sind. Was können wir tun? Wie können wir
das syrische Regime beschuldigen für all die Gräueltaten während des konfessionellen,sektiererischen Bürgerkriegs verantwortlich zu sein? Es ist heuchlerisch von den westlichenPolitikern mit diesen Konflikten umzugehen. Sie selbst haben sehr viel Schaden angerichtetsowohl bei Syrern als auch bei den Irakern. Die USA mit seinen Verbündeten sind bereits seit2003 im Irak - und was ist das Ergebnis, das sie zu verzeichnen haben? Sie sind bereits mehr alsvierzehn Jahre dort und haben noch keinen wahren Frieden im Irak gebracht. Deswegen teile ich
nicht die Auffassung der westlichen Politiker. Sogar die Kirchenoberen haben sich manipulierenlassen von den Medien. Medien, die mir gesagt haben, dass die syrische Regierung bald gehenwird. Ich habe ihnen gesagt: Bitte, bitte, machen Sie Ihre Augen auf und schauen Sie auf die
Realität in Syrien.
Haben Sie eine Vision, wo Syrien in zehn Jahren stehen könnte?
Haben Sie jemals gehört von einer christlichen Familie, einer alawitischen Familie, einerDrusenfamilie, die in den von Rebellen kontrollierten Gebieten leben? Sie finden sie nicht, sietrauen denen nicht, sie fürchten sich vor ihnen. Also hier haben wir die Lösung: Wir haben eineRegierung. Wir müssen mit der Regierung in Dialog treten, um einen besseren Weg zu finden.Wir müssen den religiösen Fanatismus von den politischen Einflüssen trennen. Sie müssen denMinderheiten Vertrauen schenken. Nicht sie zu dominieren, nach dem Motto: Wir sind diesunnitische Mehrheit, deswegen haben wir die Macht. Das gibt jenen, die viel gelitten habenkeine Sicherheit, kein Vertrauen, keinen Frieden. Es obliegt der Mehrheit, die Zukunft Syriens zugestalten, indem sie über demokratische Systeme sprechen. Aber zuerst muss das Verhältniszwischen Religion und Politik in der Verfassung geändert werden.
Woran scheitert die Demokratisierung in Syrien?
Die Politiker haben nicht den Mut, das zu tun, weil die meisten oder alle von ihnen von denwahhabitischen Regimes, von fanatischen islamischen Regimes in den Golfstaaten und Saudi-Arabien gesponsert werden. Sie werden von denen bezahlt. Das beobachten wir die letzten 7Jahre. Sie gehen von Hotel zu Hotel im Land: Wo bekommen Sie Ihr Einkommen her? Sieerzählen den Menschen, dass sie Demokratie in Syrien verteidigen, aber das ist nicht der Fall.
Wie ist die Situation im Libanon durch den Einfluss von Saudi-Arabien?
Es gab wirklich eine Bedrohung der Sicherheitslage im Libanon, ausgelöst durch den Rücktrittdes Premierministers und seinem Aufenthalt in Saudi Arabien. Wir denken, das ist jetzt vorbei,und der Präsident ist sehr klug und weise, in der Verteidigung der libanesischen Interessen. Erhat das sehr gut gemanagt. Er hat öffentlich gesagt, dass unser Premierminister in Saudi-Arabienist. Er müsse zurückkehren in den Libanon. Ich denke, dass das der beste Weg für den Libanonist. Wir haben diese Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten. Wie auch immer, die Hisbollah istbei uns eine politische Partei, sie ist ein Mitglied der Regierung. Da hilft nur Dialog undVersöhnungsarbeit. Die vielen muslimischen Flüchtlinge, ob Sunniten oder Schiiten, verstärken auch dieProbleme im Libanon...Natürlich. 1,2 Millionen syrische Flüchtlinge. Die Mehrheit ist sunnitisch. Das bringt vieledelikate Probleme im religiösen und konfessionellen Gleichgewicht im Libanon. Deswegen mussunsere Regierung und jene die mit dem Präsidenten in Verbindung stehen, überlegen, wie denFlüchtlingen geholfen werden kann, dass sie friedlich nach Syrien zurückkehren können. Aberdie Sunniten in einigen politischen Parteien reden nicht mit der Regierung Syriens. Das ist keinvernünftiger Weg, das Problem zu lösen. Libanon ist ein sehr winziges Land. 10.000Quadratkilometer groß. Bei einer Bevölkerung von 4,5 Millionen sind mindestens 2 MillionenFlüchtlinge Syrer, Iraker und Palästinenser, eine enorme politische und humanitäre Belastung.
In Deutschland wird gerade eine neue Regierung gebildet. Sind Sie zufrieden mit der Flüchtlingspolitik in Deutschland oder wie sollte sie in Zukunft aussehen?
Wenn wir Flüchtlinge haben, dann müssen wir die biblischen Gebote und die Worte Jesubeherzigen, Fremde aufnehmen und Notleidenden helfen. Vor anderthalb Jahren traf ich inBerlin Kardinal Marx. Ich sagte ihm: Der Weg, wie Deutschland die Flüchtlinge hergebracht hat,war weder menschlich noch weise. Eine Million Menschen nach Deutschland zu lassen, ist keineleichte Aufgabe. Sie wissen nicht, wer kommt und wie sie integriert werden können in die neueGesellschaft und die neue Kultur. Es wäre viel besser gewesen, hätten Deutschland und andereEU-Länder rechtzeitig Regierungsbeamte geschickt, um die Einwanderungsanträge der Familienzu prüfen. Jene, deren Anträge akzeptiert worden wären, hätte man auf menschliche Art undWeise nach Europa bringen können. Stattdessen hat man die Menschen in den Flüchtlingslagernin der Türkei, im Libanon oder Jordanien ermutigt, das Mittelmeer zu überqueren, um Europa zuerreichen. Ich frage mich, warum haben die westlichen Länder nicht daran gearbeitet, temporäreAufenthaltsmöglichkeiten für Flüchtlinge in arabischen Gebieten aufzubauen?
Es gibt einige arabische Länder, die nahezu verwaist sind. Diese hätten übergangsweiseFlüchtlinge aufnehmen können. Sie haben genug Land, viel Reichtum, Geld und sie sagen densyrischen Flüchtlingen: Es wird bald einen Regierungswechsel geben und sie könntenzurückkehren. Warum schafft man es nicht, den geflohenen Familie einen zeitlich begrenzten„sicheren Himmel“ zu ermöglichen? Mit menschlichen und finanziellen Zuwendungen wäre allesmöglich. Die Flüchtlinge wären in einer besseren Situation hinsichtlich von Sprache, Kultur undReligion und auch hinsichtlich der Distanz zu ihren Heimatländern.
Gibt es unter syrischen Flüchtlingen den Willen ihr Land wieder aufzubauen anstatt zufliehen?
Es liegt zunächst am Willen der Regierung, jenen zu helfen, die willens und fähig sind, das Landwieder aufzubauen. Wissen Sie, alle sagen, wir müssten das Land wieder aufbauen. Aber dieChristen zweifeln, dass das bald geschehen kann. Schauen Sie auf die Krise zwischen Kurdistanund der Zentralregierung im Irak, das heißt zwischen Kurden und Arabern. Kurdische Sunnitenund arabische Schiiten. Sie sind im Konflikt, sie haben die Ebene von Niniveh befreit. Es waraufgeteilt zwischen Kurdistan und Bagdad. Jetzt steht es mehr unter der Kontrolle der irakischenZentralregierung. Aber es immer noch eine unklare Situation. Wir wissen nicht was passierenwird. Für uns Christen ist es nicht leicht, weil wir zweimal aus unserem Land vertrieben wordensind. Jetzt gehen wir zurück und wir riskieren erneut vertrieben zu werden. Es ist nicht so leicht
die Familien zum Rückzug zu bewegen. Sie denken, es wäre besser für sie, wenn sie auswandern,wenn sie Meere und Ozeane überqueren, um einen „sicheren Himmel“ zu erreichen: Würde undFreiheit in der westlichen Welt.
Ihre Nichten und Neffen leben in Deutschland, Schweden, Holland, Amerika und Kanada.
Können Sie die Entscheidung der Christen verstehen, die auswandern wollen?
Wir ermutigen sie nicht dazu. Als Patriarch und Kirchenführer bleiben wir dabei, die Christen zubitten, dass sie in ihren Heimatländern verwurzelt bleiben sollen oder zurückkehren. Aber wirhaben nicht die Mittel und wir respektieren die Freiheit der Familien, die wissen, was das Bestefür ihre Kinder ist. 
Finden Sie, die muslimische Welt tut genug, sich von Gewalt im Namen ihrer Religion zudistanzieren?
Sich nur von Gewalt zu distanzieren, das ist leicht. Wir brauchen Fakten. Sie behaupten, ihreReligion sei eine Religion der Barmherzigkeit, der Toleranz und des Friedens. Aber im Grundeentspricht das nicht dem, was wir hören. Die muslimische Mehrheit drängt ihre Scharia allenLändern des Mittleren Ostens auf - außer Libanon. Die westlichen Länder sollten anstatt eineSprache der „political correctness“ zu benutzen, die Wahrheit aussprechen und die Wahrheitdurch Taten der Nächstenliebe bezeugen.
In Budapest habe ich während einer Internationalen Konsultation gesagt: Die Menschen aus demWesten, die glauben, sie wären die politische Bildungselite, sollten drei Dinge vermeiden imUmgang mit Ländern die von einer muslimischen Mehrheit regiert werden: Paternalismus,Appeasement und Profitismus. Paternalismus bedeutet, zu denken, dass die, die dem Islamangehören, meistens nicht so entwickelt sind wie wir. Sie brauchen Zeit und wir müssen sieakzeptieren wie sie sind. Appeasement heißt alles zu tun, um Konflikte zu vermeiden nach derDevise: Sei ruhig und verletze ihre Gefühle nicht. Wir müssen auch wahrhaftig mit der Wahrheitumgehen. Und Profitismus drückt sich darin aus, dass wir nur miteinander reden wegen unsereseigenen Profits. Statt dessen muss die internationale Staatengemeinschaft wollen, dass die
Länder des Mittleren Ostens ihren eigenen Weg der Zivilisation beschreiten, entwickelte Länderzu sein.
Sie haben einmal in einem anderen Interview gesagt: Die Christen im Mittleren Ostenfühlen sich „vom Westen im Wesentlichen ignoriert und sogar betrogen“… 
In welcherWeise hat der Westen Fehler gemacht?
Wir sind Opfer dieser Krise geworden, weil die westlichen Politiker die Gewalt angestiftet habenund diese Ärgernisse weiter anfachen. Sie ignorieren die Minderheiten, nicht nur die Christen,auch andere: Abbasiden, Alawiten, Drusen, Ismailiten, nicht nur die Christen.
Wir Christen spüren, dass wir nicht nur ignoriert, sondern sogar von westlichen Politikernbetrogen wurden. Sie müssen wissen, dass wir zu der indigenen Bevölkerung gehören. Wir sindzu einer Minderheit reduziert worden. Zwei Erzbischöfe sind gekidnappt worden, wir wissennicht wohin. Viele Laien sind getötet und verschleppt worden. Es ist für uns eine Sache desÜberlebens geworden, weil wir so wenige sind.
Wir haben keine Verantwortung und tragen keine Mitschuld an den Kämpfen. Wir haben keineMilizen, wir haben nicht den Willen, die Regierung zu attackieren. Wir haben friedlich in unserenLändern gelebt und wir wurden angegriffen.
Wie können uns die westlichen Politiker davon überzeugen, dass Sie die Menschenrechte allerMinderheiten verteidigen, für Frieden und Gleichberechtigung sind, wenn sie versuchen,bedrohten Tierarten zu helfen oder Pflanzen. Aber sie lassen uns in der Situation allein, getötet,verfolgt und vertrieben zu werden.
Wie beurteilen Sie die internationalen Konferenzen in Genf und Brüssel? 
Die EU zahltMilliarden an Syrien für den Wiederaufbau...Ich sage Ihnen die Wahrheit. Ich habe die Konferenz in Brüssel nicht verfolgt. Aber das sind Leute, die eine „machiavellische Politik“ vertreten. Sie müssen wirklich und ernsthaft helfen,jene Länder wieder aufzubauen, an deren Zerstörung sie mitgewirkt haben, sei es im Irak oder inSyrien. Deswegen sage ich: Das ist „machiavellische Politik“. Es liegt an der Art der Versöhnung,sich gegenseitig zu akzeptieren und eine neue Verfassung zu bilden. Nur so kann dem IS und denVereinigungen, die zerstört und getötet und die Bevölkerung vertrieben haben, ein Ende gesetztwerden. Leider profitieren viele daran, dass das Chaos weitergeht. Wer will wirklich dieAdministration in Syrien übernehmen, wenn die Regierung gegangen ist? Das sind irgendwieheuchlerische Beteuerungen, dass sie willens sind zum Wiederaufbau. Das ist kein ehrlichesVerhalten. Es muss mit der legitimen syrischen Regierung, die von der UN anerkannt ist,verhandelt werden.
Was können die einfachen Christen in den westlichen Ländern wie Deutschland tun fürden Versöhnungsprozess im Mittleren Osten?
Die deutsche Bevölkerung weiß um unsere Situation und versucht uns zu helfen, und fühlt mitunserer Tragödie, speziell die Katholiken unterstützen uns und beweisen ihre Solidarität. Wirwünschen uns, dass die schweigende Mehrheit der Bevölkerung aufsteht und den Regierenden
sagt: „Das, was ihr im Mittleren Osten tut, ist nicht christlich, ist nicht menschlich“. Wir sind die indigene Bevölkerung im Mittleren Osten und wir wurden entwurzelt, vergessen und verlassen.
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